„Der Chef hat keine Kinder, er kann das nicht nachvollziehen.“

Mutter von zwei Kindern, 39 Jahre, Führungskraft im E-Commerce

„Im Rahmen meines jährlichen Qualifikationsgespräches bzw. im halbjährlichen Zielvereinbarungsgespräch sprechen wir hierüber.“

Mutter von drei Kindern, Fachkraft in einem Transportunternehmen

[Schriftliche Aussagen von Eltern auf die Einschätzungsaussage: „Ich habe Kompetenzen, die ich in der Familie (weiter-) entwickelt habe bei meiner Arbeitgeberin / meinem Arbeitgeber angesprochen.“]

Zusammenfassung

Das Gespräch über Elternkompetenzen kann zum Gewinn von Eltern und Unternehmen führen. Hierzu ist ein positives Transferklima nötig, in dem die Führungskraft die mitgebrachten Elternkompetenzen wahrnimmt und Eltern diese ansprechen. In unserer Studie betrifft dies lediglich eine Gruppe von 25 Prozent der Eltern.

Hintergrund

Elternkompetenzen werden von Führungskräften kaum wahrgenommen obwohl die Eltern überzeugt sind mit diesen Soft Skills bessere Mitarbeiter*Innen als auch Führungskräfte zu sein – so die Einschätzung der erwerbstätigen Eltern unserer bisherigen Studie (siehe Bericht 4).

Das Gespräch zwischen Mitarbeiter und Führungskraft nach der Weiterbildung ist ein entscheidender Faktor für den Transfererfolg der (weiter-) entwickelten Fähigkeiten – so ein zentrales Ergebnis der Forschung zum Transfer von betrieblichen Weiterbildungen in den Arbeitsprozess. Denn für einen gelingenden Spillover der Elternkompetenzen in den Kontext Arbeit müssen die Relevanz und der Nutzen der (weiter-) entwickelten Kompetenzen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft abgestimmt werden.

Zur Studie

Wir befragen, ob und wie Eltern ihre überfachlichen Kompetenzen gegenüber der Führungskraft angesprochen haben. Von den 311 teilnehmenden Eltern waren 216 Mütter durchschnittlich 42.17 Jahre und 115 Väter durchschnittlich 45.37 Jahre alt.


Ergebnisse

Wie in Abbildung 1 dargestellt geben nur 15.11 Prozent der Eltern an ihre Führungskraft auf die (weiter-) entwickelten berufsrelevanten Elternkompetenzen anzusprechen. Dieser niedrige Wert überrascht, da zum einen 80.66 Prozent der erwerbstätigen Eltern angeben, in ihren Familien überfachliche Kompetenzen (weiter-) zu entwickeln. Zum anderen weisen diese Eltern mit 73.72 Prozent eine hohe Spillover-Erwartung aus mit ihren Elternkompetenzen auch bessere MitarbeiterInnen oder bessere Führungskräfte zu sein. Diese Soft Skills kommen jedoch bei den Führungskräften aus der Perspektive der Eltern nicht an. Nur 22.66 Prozent der Eltern berichten davon, dass sie erleben, dass ihre Elternkompetenzen von ihrer Führungskraft erkannt werden. Der Gap – und damit der Verlust – zwischen den entwickelten Elternkompetenzen und einem aktiven Ansprechen der Führungskraft beträgt 65 Prozent!

„Es hat keine praktische Relevanz für die Beurteilung meiner Führungskompetenz, weil es bei der Beurteilung auf konkrete Situationen und Ergebnisse im Führungsalltag ankommt. Dass mir der familiäre Hintergrund hilft, ist zweitrangig bzw. eine Randnotiz.“

Vater von drei Kindern, 43 Jahre, Führungskraft in der herstellenden Industrie

Stellen Sie sich vor, Sie werden in Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie an Ihrem Arbeitsplatz. Dabei trainieren Sie Ihre vorhandenen Fähigkeiten und gewinnen weitere Fähigkeiten hinzu. Jedoch kommen Sie mit Ihrer Führungskraft hierzu nicht ins Gespräch, auch weil Sie bemerken, dass Ihre Führungskraft hierfür kein Interesse zeigt. Mögliche Selbstwertvorteile für Sie selbst und Produktionsvorteile für das Unternehmen gehen verloren.

„Der Zusammenhang von familiärem Kompetenzerwerb und Transformation in die Berufswelt ist ein wenig beachtetes und bekanntes Thema.“

Vater von zwei Kindern, 47 Jahre, Fachkraft in der Textilindustrie

Erklärungsansätze zum 65%-Gap

Wie ist der große Gap zwischen der hohen Elternkompetenz und dem geringen Spillover-Effekt – hier: Eltern sprechen ihre Führungskraft auf ihre arbeitsrelevanten Elternkompetenzen an – zu erklären?

Zum einen können die Handlungslogiken für einen positiven Transfererfolg von Elternkompetenzen bei der Führungskraft und der Unternehmensführungschwach oder nicht ausgeprägt sein. Dies kann vor dem Hintergrund erfolgen, dass das Bewusstsein zum Wert von Familie für das Unternehmen im Sinne einer Produktivitätssteigerung durch Elternkompetenzen noch nicht entwickelt ist. Ebenso ist es möglich, dass Führungskräfte keinen Anreiz bzw. Beauftragung haben, informell gelernte Kompetenzen zur Steigerung der Produktivität des Unternehmens im Sinne der Personalentwicklung zu nutzen.

Das hieraus bestehende Transferklima, Elternkompetenzen für den Kontext Arbeit zu nutzen, ist schwach oder nicht entwickelt. Der Qualifizierungsbedarf wird vage oder nicht formuliert. Informelles Lernen wird als Option zur (Weiter-) Entwicklung von Soft Skills ausgeschlossen. Vorteile durch informelles Lernen für die Produktivität werden nicht wahrgenommen bzw. ein Gespräch hierüber kommt nicht zustande. 

Angry senior businessman criticising one of the participants of a company’s meeting

Zum anderen kann bei den erwerbstätigen Eltern die Ergebnis-Folgen-Erwartung durch die Alltagerfahrungen im Kontext Arbeit frustriert sein. Ein positiver Transfererfolg wird durch Nichtbeachtung von Elternkompetenzen behindert bis hin, dass Eltern eher Nachteile erwartet, sollten sie ihre zusätzlich erworbenen Soft Skills mit der Führungskraft ansprechen.

Zuletzt darf nicht unterwähnt bleiben, dass anstelle einer positiven – ressourcenorientierten – Haltung Eltern gegenüber, vielfach negative Annahmen über Eltern, und insbesondere gegenüber berufstätigen Müttern, herrschen. Das Vorhandensein dieser negativen Annahmen, sog. Stereotype, führt zum einen dazu, dass sich Eltern vielfach nicht trauen über ihre Elternrolle am Arbeitsplatz zu sprechen und dass an Sprechen über diese bei Entscheidern entsprechend auch eher negativ statt positiv angesehen wird.

Fünf Typen zu Elternkompetenzen & Arbeit

Unsere bisherigen Ergebnisse lassen verschiedene Elterngruppen zum Transfererfolg Elternkompetenzen vermuten. Wir identifizieren mit einer Clusteranalyse (Wards-Methode) fünf Elterntypen zu den Merkmalen (1) Elternkompetenzen in der Familie (weiter-) entwickelt, (2) Spillover-Erwartung, (3) Führungskraft erkennt Elternkompetenzen und (4) Führungskraft angesprochen.

Die fünf Cluster sind mit 22 Eltern bis 98 Eltern besetzt und lassen sich wie folgt beschreiben (vgl. Abbildung 2): 

Integrierte – Gelungener Spillover: Der Trainingstransfer von Elternkompetenzen vom Kontext Familie gelingt bis hin zum Gespräch mit der Führungskraft.

Stumme Anwender – Verdeckter Spillover: Der Transfer der Elternkompetenzen in den Kontext Arbeit gelingt im ersten Schritt. Da jedoch über die zusätzlichen Soft Skills nicht gesprochen werden, bleiben sie verdeckt. Ein gezielter Einsatz zur Steigerung der Produktivität wird nicht genutzt.

Unerkannte – Verlorener Spillover: Diese Eltern gehen davon aus, dass sie mit ihren Elternkompetenzen auch bessere Mitarbeiter*Innen oder Führungskräfte sind. Diese Erwartung wird jedoch massiv frustriert. Ein ungünstiges Transferklima für Elternkompetenzen kann nicht zur Steigerung der Produktivität genutzt werden – es geht verloren.

Fragmentierte – Möglicher Spillover: Diese Elterngruppe zeichnet aus, dass sie ihre (weiter-) entwickelte Elternkompetenz und die Spillovererwartung und ebenso den Transfer in den Kontext Arbeit als lose Fragmente nebeneinander beschreiben.

Keine-Spillover-Erwartung – Diese Eltern beschreiben sich unentschieden, ob sie mit der Familie Soft Skills (weiter-) entwickeln. Sie erwarten keine Auswirkungen ihrer Elternkompetenzen auf das berufliche Handeln.


Weitere Ergebnisse

In weiteren Analysen finden wir keinen Zusammenhang zwischen dem Ansprechen der Führungskraft durch die Eltern und den Merkmalen Geschlecht, Anzahl der Kinder, Alter des jüngsten Kindes, Alter der Eltern, Erwerbstätigkeit, Eltern mit bzw. ohne Führungsverantwortung oder Position im Unternehmen.

Jedoch weist die Anzahl der Kinder in einer Familie in unseren Analysen eine signifikante positive Korrelation aus: Je mehr Kinder in einer Familie Zuhause sind, desto eher sprechen Eltern mit ihrer Führungskraft über ihre (weiter-) entwickelten Soft Skills. Dieser Effekt verstärkt sich deutlich bei einer Gruppierung der Eltern in ein bis drei Kinder (13.1 Prozent) und vier und mehr Kinder (27.1 Prozent).

Der Transfer von Elternkompetenzen in den Kontext Arbeit ist zu realisieren. Wir konnten zeigen, dass der positive Spillover von Elternkompetenzen in den Kontext Arbeit möglich ist. Dies betrifft jedoch nur ¼ der erwerbstätigen Eltern. Voraussetzung ist: Die Wahrnehmung der zusätzlichen Soft Skills durch die Führungskraft und das gemeinsame Gespräch hierüber.

Fazit & Impuls:

Eine Unternehmenskultur, in der informelles Lernen integraler Bestandteil der Qualifizierungsmaßnahmen ist, benötigt in den Führungskräften und Eltern Kulturträger, die nicht nur das informelle Lernen für die Produktivität nutzten, sondern sollten selbst davon reichlich Gebrauch machen.

Für erwerbstätige Eltern und Unternehmen sehen wir folgende Schlussfolgerungen:

1. Zeigen Sie als Unternehmer, Geschäftsführer oder Führungskraft Eltern Ihre Offenheit bzgl. informell (weiter-) entwickelter überfachlicher Kompetenzen. Dies kann beispielsweise damit geschehen, dass in Bewerbungen informelle Kompetenzen berücksichtigt werden.

2. Sensibilisieren Sie Führungskräfte zum Thema informelles Lernen in Elternschaft, Pflege, Sport oder Ehrenamt. Bereits ein dreitätiges app-basiertes Training kann hier substantielle Ergebnisse erzielen (Lask & Junker, 2019). Geben Sie als Führungskraft selbst ein eigenes konkretes Beispiel zum informellen Lernen berufsrelevanter Soft Skills.

3. Haben Sie als erwerbstätige Eltern den Mut ihre (weiter-) entwickelten Kompetenzen im Kontext Arbeit anzusprechen. Beobachten Sie ihre in der Familie (weiter-) entwickelten Soft Skills und wählen geeignete Beispiele zur Illustration.

Zu einer Langfassung dieses Berichts mit weiteren Ergebnissen zu schriftlichen Elternaussagen, den Elternclustern und der Anzahl von Kindern gelangen Sie mit diesem Link.

Autoren:

Joachim E. Lask, Diplom-Psychologe, Gründer und Geschäftsführer des WorkFamily-Instituts. Seit 2004 Forschung zum Enrichment-Ansatz zur Vereinbarkeit Arbeit und Familie. Entwicklung von Instrumenten zum Spillover-Effekt für die Personalentwicklung. Zusammenfassende Darstellung in „Gute Eltern sind bessere Mitarbeiter“ (Springer-Verlag, 2017).

Dr. Nina M. Junker studierte Psychologie an der Universität Mannheim und promovierte im Anschluss extern zu impliziten Mitarbeiter- und Führungstheorien an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2016 ist sie Mitarbeiterin der Abteilung für Sozialpsychologie an der Goethe-Universität und seit 05/2018 stellvertretende Abteilungsleiterin. Sie hat ihren derzeitigen Forschungsschwerpunkt auf der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gruppenprozessen und der Entwicklung von Burnout. Sie arbeitet zusätzlich seit mehreren Jahren als Trainerin und Beraterin im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement.

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