Es interessiert meine Vorgesetzten und Kollegen nicht.

Im Gegenteil, sie lästern ohne Ende.

Mutter von 3 Kindern, tätig bei der Polizei

Zusammenfassung

Führungskräfte erkennen die Elternkompetenzen nicht, obwohl Eltern bereit sind, ihre überfachlichen Kompetenzen, die sie in der Familie (weiter-) entwickelt haben im Arbeitskontext einzusetzen. Der Spillover-Verlust beträgt dabei ganze 50 Prozent. Die überfachlichen Kompetenzen von Eltern mit vier und mehr Kindern werden besser erkannt als jene von Eltern mit einem bis drei Kinder/n. Die Auswertung erfolgte auf der Grundlage von 305 erwerbstätigen Eltern, die an der Studie teilgenommen haben.

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Hintergrund

Erwerbstätige Eltern geben mit 80 Prozent an, in ihren Familien überfachliche Kompetenzen (weiter-) zu entwickeln. 73 Prozent der Eltern erwarten hierdurch, bessere MitarbeiterInnen bzw. Führungskräfte zu sein. In diesem Bericht gehen wir nun der Frage nach: Erkennt die Führungskraft diese Elternkompetenzen als ersten Schritt für einen positiven Spillover? Wir haben die Eltern danach befragt.


Einschätzung erwerbstätiger Eltern (N=305) auf einer Skala von 0 „trifft nicht zu“ bis 10 „trifft voll zu“ zu einzelnen Aussagen der Studie.

Ergebnisse

Führungskräfte übersehen 50 Prozent der Kompetenzpotentiale von Eltern. Zu diesem Ergebnis kommen wir in unserer Analyse von 305 erwerbstätigen Eltern (197 Mütter, 108 Väter), die an unserer Studie teilgenommen haben. Trotz der hohen Einschätzung der Eltern in ihrer Familie überfachliche Kompetenzen (weiter-) entwickelt zu haben, geben lediglich 22,30 Prozent der Eltern geben an, dass ihre Führungskraft Kenntnis davon hat. Damit kommen 50 Prozent (!) der von den Eltern erwarteten Kompetenzvorteile bei der Führungskraft nicht an.

Dieser Gap von 50 Prozent ist für beide – die Eltern als auch die Führungskräfte – bedauerlich. Motivationsverluste der Eltern im Arbeitsbereich sind zu erwarten, wenn Fähigkeiten wie Konflikt-lösung, Verhandeln, agiles Management, Organi-sationsfähigkeit oder Stressmanagement nicht erkannt geschweige denn wertgeschätzt werden. Andererseits kann die Führungskraft auf mögliche Kompetenzen der Eltern nicht zugreifen, obwohl sie ggf. für die Zielerreichung der Arbeitsaufgaben dringend notwendig sind. Hier vermuten wir handfeste Produktionsverluste im Unternehmen.


50%-Gap

Der hohe Spillover-Verlust von 50 Prozent kann auf verschiedene Bedingungen zurückgeführt werden:

Die Führungskraft könnte überhaupt keinen Kompetenzgewinn durch die Bewältigung von Familienaufgaben erwarten oder noch schlimmer: sie erwartet, dass Eltern und insbesondere Mütter durch ihre Elternrolle zu weniger kompetenten Mitarbeitern werden. Diese Überlegung korrespondieren ggf. mit dem Fakt, dass etwa 2/3 der deutschen Führungskräfte ohne Kinder im Haushalt leben und damit die Familienwirklichkeit wenig kennen. Entsprechend könnte es ihnen schwerer fallen, sich in die Situation berufstätiger Eltern hineinzuversetzen.

Der 50%-Gap könnte aber auch von einer geringen Transfermotivation der Eltern ausgehen, da sie

>> ihre informell (weiter-) entwickelten Kompetenzen noch nicht benennen (können),

>> bisher noch keine Transferidee ihrer Elternkompetenzen in den Arbeitsbereich haben

>> Sorge haben, dass sie kulturelle Normen des Arbeitgebers verletzen, wenn sie ihre Elternkompetenzen als ein „Plus“ für den Arbeitsprozess definieren

>> ihre (weiter-) entwickelten Kompetenzen nicht im Unternehmen einsetzen, da sie keine zusätzliche Verantwortung im Unternehmen übernehmen wollen

>> keinen Vorteil für sich im Unternehmen erkennen, wenn sie die (weiter-) entwickelten Kompetenzen im Arbeits-bereich zur Anwendung bringen

>> oder sie gar Nachteile fürchten, wenn sie ihre Elternrolle und die dort gemachten Erfahrungen in den Vordergrund stellen.

Weitere Ergebnisse

Dass Führungskräfte die Elternkompetenzen nicht erkennen, wird weder über das Geschlecht der Eltern noch das Alter der Eltern oder das Alter der Kinder beeinflusst. Der 50%-Gap ist auch bei Eltern mit oder ohne Führungsverantwortung und den verschiedenen Positionen im Unternehmen gleich hoch.

Interessant finden wir einen Einfluss der Kinderzahl. Unseren Analysen nach erkennen Führungskräfte Elternkompetenzen häufiger, wenn die Eltern kinderreiche Familie (vier und mehr Kinder) verantworten im Vergleich zu Eltern mit einem bis drei Kindern. Wie in Abbildung 2 dargestellt, geben 34% der kinderreichen Eltern an, dass ihre Führungskraft ihre arbeits-relevanten Elternkompetenzen erkennt, im Vergleich zu 20% der Eltern mit 1 bis 3 Kindern.


Einschätzung erwerbstätiger Eltern (N=305) auf einer Skala zwischen 0 „trifft nicht zu“ und 10 „trifft voll zu“, dass die eigene Führungskraft arbeitsrelevante überfachliche Kompetenzen erkennt unterschieden in Eltern mit 1-3 Kindern und Eltern mit 4 und mehr Kindern.

Fazit

Für erwerbstätige Eltern und Unternehmen sehen wir folgende Schlussfolgerungen:

Zeigen Sie als Unternehmer, Geschäftsführer oder Bereichsleiter Eltern Ihre Offenheit bzgl. informell (weiter-) entwickelter überfachlicher Kompetenzen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass in Bewerbungen informelle Kompetenzen berücksichtigt werden.

Sensibilisieren Sie Führungskräfte zum Thema informelles Lernen in Elternschaft, Pflege, Sport oder Ehrenamt. Geben selbst ein eigenes konkretes Beispiel.

Integrieren Sie informelle Lernkompetenzen als (alternativen) Baustein in die individuelle Karriereplanung.

Haben Sie als erwerbstätige Eltern den Mut ihre (weiter-) entwickelten Kompetenzen anzusprechen. Geben Sie hierzu konkrete Beispiele. Wissen Sie nicht, wie Sie dies professionell formulieren können, steht Ihnen ein kostenloses Webinar auf www.kompetenzexpert.de zur Verfügung.

Sprechen Sie mit anderen Eltern in Ihrer Arbeitsumgebung über informelles Lernen und die Kompetenzen, die sie in Ihrer Elternrolle (weiter-) entwickelt haben.

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